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ClimXtreme Stellungnahme zur schadensreichen Sturmserie Ylenia, Zeynep, Antonia im Februar 2022 (international: Dudley, Eunice, Franklin)

Einleitung

Im Zeitraum vom 16. bis 21. Februar 2022 zogen die Tiefdruckgebiete Ylenia, Zeynep und Antonia als Teil einer sogenannte Sturmserie über Nord- und Zentraleuropa. Mit den Tiefdruckgebieten waren extrem hohe Windgeschwindigkeiten verbunden, so dass an den sechs aufeinanderfolgenden Tagen an etlichen Stationen des DWD Geschwindigkeiten oberhalb der Warnstufe 3 (29 m/s) erreicht wurden. Es kam zu zahlreichen Schäden, u.a. in Deutschland, Belgien, Polen, Großbritannien und Frankreich. Für Deutschland wurde für die Sturmserie durch den Gesamtverband der deutschen Versicherungen (GDV) ein versicherter Schaden in Höhe von insgesamt 1,4 Milliarden Euro abgeschätzt. Damit ordnet sich die Sturmserie historisch auf Platz drei ein, hinter Kyrill (18. und 19. Januar 2007, 3,6 Milliarden Euro) und Jeanett (27. und 28. Oktober 2002, 1,44 Milliarden Euro). Der Forschungsverbund ClimXtreme befasst sich mit dem Zusammenhang zwischen Klimawandel und Extremereignissen. Die Thematik der Sturmereignisse wird von einem Teil der im Verbund organisierten Projekte behandelt.

Einschätzungen zur Sturmserie aus ClimXtreme-Projekten

Für die Tage vom 16. bis 20. Februar 2022 sind über weiten Teilen Deutschlands, aber auch Großbritannien, Benelux, Polen und Tschechien viele Berichte über Extreme und Schäden zu verzeichnen, die in der European Severe Weather Database (ESWD) gesammelt sind (CHECC). Die Auswirkungen sind vielfältig und reichen von Schäden an der Infrastruktur und Gebäuden bis hin zu Windwurf (umgestürzte Bäume). Die ESWD-Datenbank wird in ClimXtreme verwendet, um Verknüpfungen von meteorologischen Extremereignissen und deren Auswirkungen herzustellen. Als eine Besonderheit der Sturmlage zeigen die Einträge der ESWD, dass in Zusammenhang mit einer Kaltfront in einem Gebiet von Casekow (Brandenburg) bis zur Umgebung der Städte Lódz und Kraków in Polen in der Nacht und Morgenstunden des 17.2 insgesamt 24 Tornados aufgetreten sind, die teilweise schwere Windschäden verursachten bis hin zur Kategorie F2 auf der Fujita-Skala. Zuletzt trat eine ähnliche Wetterlage (Sturm, winterliche Kaltfront mit starken Tornados) beim Sturm Kyrill (2007; Fink et al., 2009) auf, wobei die Zahl der Tornados damals niedriger war. Bei Zeynep wurde darüber hinaus das Auftreten von einem sogenannte „Sting jet“ (Clark and Gray, 2018) im Bereich des Ärmelkanals analysiert, mit einer gemessenen Windböe von 196 km/Stunde auf der Isle of Wight (A6/A7/CEDIM, Mühr et al., 2022). Für Deutschland wurden die Sturmereignisse auf Basis der DWD-Stationen bzgl. der Windextreme ausgewertet und mit früheren Ereignissen verglichen (CoDaX). An allen Tagen vom 16.-21.2.2022 haben die Windspitzen an einer Vielzahl von Stationen die Schwelle für Warnstufe 3 (29 m/s) erreicht (siehe Karten in Anhang A), am großräumigstem am 17.2 (Ylenia) und am 18.2.2022 (Zeynep). Während das am 18.2.2022 für 29.5% der Stationen der Fall war, hält Kyrill (18.1.2007) mit 65.4% der Stationen weiterhin den Rekord.

Eine Analyse der meteorologischen Situation wurde von Mühr et al. (2022) durchgeführt (CYCLEX/VARCLUST). Im Rahmen der synoptischen Analyse der Sturmserie wurde hervorgehoben, dass es Serien von mehreren, kurz hintereinander auftretenden Stürmen in Europa auch in der jüngeren Vergangenheit häufiger gegeben hat. So sind zum Beispiel zu nennen: Februar 1990 (Vivian, Wiebke), Dezember 1999 (Lothar, Martin), Januar 2007 (Franz, Gerhard, Hanno, Ikarus, Kyrill, Lancelot). Weitere Beispiele werden von Pinto et al. (2014) benannt. Dacre und Pinto (2020) stellen eine spezifische Struktur der großskaligen Strömung als einen Faktor für das Auftreten von Sturmserien fest. Sie beinhaltet das Auftreffen eines verstärkten, quasi-stationären und nach Europa erstreckten Strahlstroms, die die Stürme nach Westeuropa leitet. Diese großräumige Strömung ist oft mit einer leichten Positivphase der Nordatlantischen Oszillation (NAO) verbunden. Darüber hinaus entwickeln sich in dieser Strömung kleinere Tiefdruckgebiete am Rand des weiter ausgedehnten Bereichs tiefen Drucks (sekundäre Zyklogenese), was zu kurz hintereinander folgenden Sturmereignissen führt. Diese Situation war auch für die Sturmserie im Februar 2022 gegeben. Darüber hinaus wurden die Wiederkehrzeiten dieser Sturmserie explizit analysiert (LAMCOX). Auf Basis historischer Daten wurde untersucht, wie häufig in der Vergangenheit Serien extremer Stürme in Europa zu verzeichnen waren. Die Anzahl von drei Stürmen innerhalb einer Woche wurde seit 1979 wiederholt (9 mal) beobachtet.

Laut der Einschätzung von Vautard et al. (2019) ist bei Stürmen und Sturmserien bisher keine Veränderung im Zusammenhang mit dem menschengemachten Klimasignal zu beobachten, auch wenn Klimamodelle eher eine Zunahme bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts simulieren. Dies kann unter anderem daran liegen, dass die natürliche dekadische Variabilität stark dominiert (u.a. Feser et al., 2015). Auch wenn die Ereignisfolge im Februar 2022 weder hinsichtlich des physikalischen Prozesses noch in Bezug auf Stärke und Auswirkung aus dem Rahmen der Ereignisse der jüngeren Vergangenheit fällt, muss das Potential solcher Ereignisse eingehender betrachtet werden. Mühr et al. (2022) weisen insbesondere auf die Möglichkeit hin, dass ein erstes Sturmereignis mit starkem Niederschlag verknüpft sein kann. Verstärkte Auswirkungen der Folgestürme könnten dann zum Beispiel über eine steigende Bodenfeuchte und damit verringerte Stabilität von Bäumen verursacht werden. Wie im ClimXtreme Teilprojekt COO gezeigt wurde, führt das gleichzeitige Auftreten von Sturm und Starkniederschlag auch bei Gebäuden zu erhöhten Schäden.

Für die Untersuchung der Auswirkungen von Sturmereignissen im Gebäude- und Infrastruktursektor wurden Daten des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) als auch Störungsmeldungen der Deutschen Bahn (DB) verwendet (WIND). Für die Sturmserie verzeichnet der GDV insgesamt ca. 1,4 Milliarden Euro versicherte Schäden, davon 1,25 Milliarden Euro im Gebäudesektor und 125 Millionen Euro im Bereich der Autoversicherungen. Mit Hilfe von Schadensmodellen lassen sich meteorologische Größen, wie die Windgeschwindigkeit, mit Auswirkungen verknüpfen. Klawa und Ulbrich (2003) stellen eine Zuordnung von Schaden und Windgeschwindigkeit her, wenn diese das lokale 98. Perzentil überschreitet. WIND untersuchte die Andauer der Überschreitung des 98. Perzentils, welche für die Sturmserie in Bezug auf die jüngere Vergangenheit außergewöhnlich lang andauerte. Bei dem bislang schadensträchtigsten Ereignis, Kyrill, war die Andauer der Überschreitung sehr viel kürzer, die maximalen Windgeschwindigkeiten in Teilen Deutschlands jedoch deutlich höher.

Referenzen

  • Clark PA, Gray SL (2018) Sting jets in extratropical cyclones: a review. Q J R Meteorol Soc; 144, 943– 969. doi:10.1002/qj.3267
  • Dacre HF, Pinto JG (2020) Serial clustering of extratropical cyclones: a review of where, when and why it occurs. npj Clim Atmos Sci 3, 48. doi:10.1038/s41612-020-00152-9
  • ESSL (2022): Windstorms and tornado outbreak of February 2022. https://www.essl.org/cms/windstorms-and-tornado-outbreak-of-february-2022/
  • Feser F, et al. (2015), Storminess over the North Atlantic and northwestern Europe—A review. Q.J.R. Meteorol. Soc, 141, 350-382. doi:10.1002/qj.2364
  • Fink AH, Brücher T, Ermert E, Krüger A, Pinto JG (2009) The European Storm Kyrill in January 2007: Synoptic Evolution and Considerations with Respect to Climate Change. Nat. Hazards Earth Syst. Sci., 9: 405-423. doi:10.5194/nhess-9-405-2009
  • GDV (2022): Sturmbilanz: Wintersturm-Serie verursacht versicherte Schäden in Höhe von 1,4 Milliarden Euro. https://www.gdv.de/de/medien/aktuell/wintersturm-serie-verursacht-versicherte-schaeden-in-hoehe-von-1-4-milliarden-euro-83244
  • Klawa M, Ulbrich U (2003) A model for the estimation of storm losses and the identification of severe winter storms in Germany. Nat. Hazards Earth Syst. Sci., 3, 725–732. doi:10.5194/nhess-3-725-2003
  • Mühr B, Eisenstein L, Pinto JG, Knippertz P, Mohr S, Kunz M (2022) CEDIM Forensic Disaster Analysis Group (FDA): Winter storm series: Ylenia, Zeynep, Antonia (int: Dudley, Eunice, Franklin) - February 2022 (NW & Central Europe). Technical report, Karlsruher Institut für Technologie (KIT). doi:10.5445/IR/1000143470
  • Pinto JG, Gómara I, Masato G, Dacre HF, Woollings T, Caballero R (2014): Large-scale dynamics associated with clustering of extra-tropical cyclones affecting Western Europe. J Geophys Res – Atmospheres 119, 13704–13719. doi:10.1002/2014JD022305
  • Vautard R et al. (2020) Human influence on European winter wind storms such as those of January 2018. Earth Syst. Dynam., 10, 271–286. doi:10.5194/esd-10-271-2019

Beiträge der ClimXtreme-Projekte

In die Stellungnahme flossen Beiträge aus folgenden ClimXtreme-Projekten ein (aus den vier Modulen A, B, C, und D):

Projekt Modul Inhalt des Beitrags
CyClex (A6), VarCluST (A7), KIT/CEDIM A Forensic Disaster Analyses Report (Mühr et al., 2022)
CHECC (B2.3) / ESSL B Karten der ESWD-Meldungen (https://www.eswd.eu/)
LAMCoX (B3.6) / UHH B Bewertung zur Häufigkeit einer Folge von drei oder mehr extremen Stürmen seit 1979
WIND (C9), COO (C1) und weitere FUB Projekte C Informationen zu (versicherten) Schäden, Zugbahnen und Stärke der Stürme im Vergleich zu historischen Ereignissen
CoDaX (D1) / DWD D Synoptische Situation auf Basis der DWD-Beobachtungen und Vergleich mit früheren Ereignissen

Hintergrundinformationen zu den inhaltlichen Zielen aller ClimXtreme-Teilprojekte sind auf der Projektwebseite climxtreme.net zu finden.

Anfragen

Anfragen bitte an die Gruppe der ClimXtreme Koordinatoren richten (Prof. Dr. Andreas Hense, Dr. Frank Kaspar, Prof. Dr. Christoph Kottmeier, Prof. Dr. Joaquim Pinto, Prof. Dr. Uwe Ulbrich, Dr. Ieda Pscheidt, Deborah Niermann M.Sc., Dr. Hendrik Feldmann, Dr. Jens Grieger, über chef@listen.uni-bonn.de und climxtreme_souschef@listen.uni-bonn.de ). Anfragen an die im Text erwähnten ClimXtreme-Teilprojekte werden von der Koordinationsgruppe weitergeleitet. Abbildungen Quelle: DWD, Abbildung nutzbar gemäß GeoNutzV.

 

 

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